mord2go – Tödliche Geschichten für unterwges und zwischendurch - von Olaf Fritsche

Bis dass ein Mord euch scheidet

von Olaf Fritsche

Sein Name war wirklich Adam. Ihm selbst wäre Adonis lieber gewesen, aber Adam tat es auch. Zumal die Frauen Adam liebten, und er liebte die Frauen. Vor allem die wohlhabenden.

Einen richtigen Beruf hatte Adam nie gelernt. Wenn er mal gefragt wurde, womit er seinen Lebensunterhalt bestritt, gab er an, Künstler zu sein. Lebenskünstler. Obwohl seine wahre Kunst darin bestand, Leben zu beenden. Und dann zu erben. Reich zu erben.

Adam sah das viele Geld, das ihm die Frauen nach ihrem Tod hinterließen, als wohlverdiente Honorierung seiner Dienste. Immerhin hatte er mit seinem unvergleichlichen Charme ihre Herzen erobert. Ihnen jeden Wunsch von den Augen abgesehen. Sie verwöhnt, wie es nie zuvor ein Mann vermocht hatte. All das hatte er ihnen geboten. Über Wochen und häufig über Monate hinweg. Bis sie schließlich im Glauben, endlich das wahre Glück gefunden zu haben, seinem sehnlichst erwarteten Antrag zustimmten und mit ihm zuerst in den Hafen der Ehe und anschließend in romantische Flitterwochen fuhren. Bei dieser Gelegenheit brachte Adam sie dann um.

Keineswegs auf brutale Weise. Das wäre weder sein Stil gewesen noch hätte es seinem Naturell entsprochen. Außerdem liebte er seine Frauen, jede einzelne von ihnen. Nicht so sehr wie ihr Geld, doch einen schmerzhaften Tod wollte er ihnen ganz und gar nicht bereiten. Darum arbeitete er lieber mit der sanften Methode.

Das richtige Mittelchen zur rechten Zeit, aufgelöst in prickelndem Champagner oder einem rauchigen Whisky hatte nicht nur den Vorteil, dass die Frau in einem Moment des Hochgenusses starb. Obendrein sah es häufig nach einem natürlichen Dahinscheiden aus. Weswegen die Polizei im Schnitt nur bei jeder zweiten seiner überraschenden Witwerschaften misstrauisch wurde.

In solchen Fällen pflegte Adam, so viel wie möglich seines neuen Besitzes zu Geld zu machen und damit so schnell wie möglich das Land zu verlassen. Ihn kümmerte es wenig, wo er lebte. Norwegen, Spanien, Costa Rica, Thailand … Mit dem nötigen Kleingeld in der Tasche konnte er es überall gut aushalten. Auf seinem Weg ins Exil legte er stets einen Zwischenstopp in einer kleinen, aber feinen – und vor allem verschwiegenen – Privatklinik für kosmetische Chirurgie ein und ließ sich ein unverbrauchtes Gesicht schneidern. Parallel dazu fertigte ein anderes Dienstleistungsunternehmen der diskreten Art hochwertige Dokumente für seine zukünftige Identität an. Eine Routine, die sich für alle Beteiligten als ausgesprochen lukrativ erwiesen hatte.

Auf diese Weise wurde Adam Ende des vergangenen Jahres zum zweiten Mal in seinem Leben ein Schweizer Unternehmerssohn, der es sich ausnahmsweise gönnte, seinen richtigen Vornamen zu führen und als Adam Zückli das ererbte Geld in Monte Carlo in kurzlebigen Luxus umzusetzen. Inklusive Ferrari Testarossa in hervorragendem Erhaltungszustand – kleine Versuchungen wird man am besten los, indem man ihnen nachgibt.


„Wären Sie wohl so freundlich, einer Dame kurz ihre Einkäufe abzunehmen?“

Bevor Adam die Sprecherin sah, hatte er sich bereits in ihre Stimme verliebt. So rein und klar, dass die Engel neidisch werden mussten, wenn sie sprach. Er drehte sich um und blickte auf eine Hutschachtel und zwei Einkaufstaschen, die ihm ein Paar gepflegter Hände entgegenstreckte. Marken aus der obersten Preisliga, wie er automatisch registrierte. Wie wohl das holde Wesen aussehen mochte, das sich derlei Luxus leisten konnte und dann so vertrauensvoll war, es einem völlig Fremden in die Hände zu drücken?

„Aber gerne doch!“

Er griff Schachtel und Tasche, nicht ohne dabei flüchtig ihre Finger zu streifen. Samtweiche Haut. Dazu ein passender Duft, den ihm ein Windhauch entgegenwehte. Adam senkte das Gepäck zur Seite, sodass er sah, wie seine neue Bekanntschaft ihm dankbar zulächelte. Es war ein Lächeln, für das er hätte töten können. Für das er genaugenommen getötet hatte, denn ohne das Geld seiner letzten Ehefrau hätte Adam sich nie und nimmer den Aufenthalt in Monte Carlo leisten können und wäre niemals dieser bezaubernden Lady begegnet.

Eine Sonnenbrille hielt ihr schulterlanges, kastanienbraunes Haar zurück aus einem fein geschnittenen Gesicht. Nicht mehr ganz jung, doch die Jahre hatten ihren Zauber nur größer werden lassen. Adam wusste auf der Stelle, dass sie seine neue Liebe werden würde. Vorausgesetzt, ihre Vermögenswerte hielten, was ihre Erscheinung versprach.

„Ich glaube, ich habe eine Wimper im Auge. Ob sie einmal schauen könnten?“

Sie trat einen Schritt auf Adam zu und schob ihr Gesicht nahe an seines heran. Große, rehbraune Augen mit einem dezenten Lidstrich und einem Hauch Mascara. Keine künstlichen Wimpern, kein auffälliges Make-up. Lediglich die Augenbrauen ein wenig gezupft, um ihre natürliche, gefällige Form zu unterstreichen.

„Oh, ich fürchte, Sie haben recht. Da ist eine Wimper. In Ihrem linken Auge. Wenn Sie einen Moment ganz stillhalten, …“

Adam verlagerte die Einkäufe auf seine linke Hand und hob die rechte.

„Vielen Dank! Das mache ich doch lieber selber.“

Sie zog ihren Kopf freundlich lächelnd, aber entschieden zurück und entnahm ihrer Handtasche einen kleinen Klappspiegel.

„Selbstverständlich.“

Adam ließ die Hand sinken. Er war keineswegs beleidigt oder enttäuscht. Im Gegenteil. Ein wenig Zurückhaltung war seines Erachtens nicht nur angebracht, es erhöhte den Reiz sogar.

„Erledigt!“

Triumphierend klappte sie den Spiegel zu und ließ einen abschätzenden Blick über Adam wandern. Ihr schien zu gefallen, was sie sah.

„Sie machen sich gut als Botenjunge“, lachte sie, doch es klang keineswegs spöttisch.

„Falls Sie gerade nichts anderes vorhaben und versprechen, sich wie ein vollendeter Gentleman zu benehmen, dürfen Sie sich Hoffnungen machen, mich auf einen Capucchino einzuladen.“

Die Frau weiß, was sie will, und hat keine Hemmungen zuzugreifen, dachte Adam und setzte sein strahlendes Lächeln auf.

„Es gibt nichts auf der Welt, was ich lieber täte“, antwortete er. Und meinte es tatsächlich so.


Sie hieß Eva. Und nicht nur wegen ihrer beider Namen erschienen Adam die folgenden Tage wie aus dem Paradies. Am ersten Abend verabschiedete er sich mit einem angedeuteten Handkuss. Am nächsten erlaubte sie ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, und die dritte Nacht verbrachte er in ihrem Hotelzimmer. Die Vormittage blieben sie abwechselnd in seinem oder in ihrem Bett liegen, an den Nachmittagen unternahmen sie Ausflüge mit Adams Ferrari oder gingen shoppen. Abends besuchten sie das Casino, nahmen an den Feiern irgendwelcher Multimillionäre auf deren Yachten teil oder spazierten im Mondschein im japanischen Garten.

Eva war Witwe, erfuhr Adam. Ihr verstorbener Mann hatte in verschiedene aufstrebende Hightech-Unternehmen investiert und dabei ein Vermögen gemacht. Eines Tages war er wie gewöhnlich zum Joggen aufgebrochen und nicht mehr nach Hause gekommen. Die Polizei fand seine Leiche einen Tag später am Fuße einer Klippe, die an seiner bevorzugten Laufstrecke lag. Er musste wohl gestolpert und über die Kante gefallen sein, berichtete Eva unter Tränen. Adam hielt sie tröstend in seinen Armen. Wie groß ihr Vermögen war, vermochte sie nicht zu sagen. Geld bedeutete ihr nichts, aber es war so viel da, dass sie sich deswegen bis an ihr Lebensende keine Gedanken machen musste. Dann nahm sie einen Schluck von dem Scotch, den Adam ihr reichte.


Die Hochzeit fand drei Monate später gleich vor Ort in Monte Carlo statt. Den Termin hatte Adam etwas forciert, weil der selbst für seine Verhältnisse ausschweifende Lebensstil zusehends seine Rücklagen schwinden ließ. Nach kurzem Zögern war Eva einverstanden, obwohl ihre Verwandtschaft, die in den USA und Neuseeland lebte, derart überstürzt nicht zur Feier erscheinen konnte, bedauerte sie.

„Weißt du, wegen Tante Rosemarie tut es mir nicht leid. Die ist schrecklich. Und meine Eltern leben beide nicht mehr. Aber meine texanische Cousine hätte dir gefallen. Und meine Neffen aus Christchurch erst!“

Adam engagierte einige Dutzend Schauspieler aus Bern, die seine Familie geben sollten. Per E-Mail schickte er jedem Einzelnen genaue Instruktionen, wie er sich zu verhalten habe. Aus Bequemlichkeit und weil es so gut funktioniert hatte, nutzte er dafür die gleichen fingierten Lebensgeschichten und Charaktere wie bei seiner vorigen Schweizer Hochzeit. Inklusive des unvermeidlichen Onkels, der einen über den Durst trank und sich pünktlich eine Stunde nach Mitternacht seiner Kleidung entledigte, um eine Polonaise über die Tische anzuführen. Diese Art von Arrangement war zwar teuer, dafür brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dass jemand aus der Rolle fiel oder sich verplapperte. Es waren eben Profis. Und ohne Verwandtschaft zu sein, hätte verdächtig ausgesehen, da er ja gegenwärtig Schweizer war und es für Leute seines angeblichen Standes aus der Schweiz nur ein Katzensprung im gecharterten Jet nach Monte Carlo war.

Adams Kreditkarte schlug am Limit an, als er Eva gegenüber darauf bestand, nicht nur die Hochzeitsfeier vollständig zu bezahlen, sondern zusätzlich die Kreuzfahrt über das Mittelmeer in der Honeymoonsuite mit zwei uneinsehbaren Balkonen.

„Aber was soll’s“, dachte er. „Sobald wir verheiratet sind, haben meine Geldsorgen vorerst ein Ende.“

Wie gut, dass Eva genau wie er der Meinung war, ein Ehevertrag würde dem wichtigsten Fundament einer Ehe widersprechen: dem gegenseitigen Vertrauen.

Am Tag nach der Trauung begaben sie sich an Bord ihres Schiffes. Sehr zur Freude des Stewarts ließ Adam es sich nicht nehmen, seine frisch angetraute Eva über die Schwelle der Kabine zu tragen. Freudestrahlend nahm der Stewart den 50-Euro-Schein als Trinkgeld entgegen und versprach, dafür zu sorgen, dass niemand die beiden störte.


***


„Sie sind wegen dieses Adam Zückli hier oder wie auch immer der in Wirklichkeit heißt, nehme ich an.“ Polizeioberkommissar Pierre Duchand streckte Maria Gotti die Hand entgegen. „Ohne Europol hätten wir den wohl nie identifiziert. Wurde splitternackt angespült. Hat dem kleinen Kaff ordentlich die Nachsaison verdorben, weil wir den ganzen Strand absperren mussten.“

Er lächelte. Einer attraktiven Frau hatte Pierre noch nie widerstehen können, und Maria Gotti war ungeheuer attraktiv. Besonders für eine Hauptkommissarin.

„Ja, Fingerabdrücke und Zahndaten sind recht nützlich, um verschleierte Identitäten zu lüften.“

Maria ignorierte Pierres unverhohlenes Balzverhalten. Auch ohne Bäuchlein und mit ordentlicher Rasur wäre er nicht ihr Typ gewesen.

„War wohl ein richtiger Schönling und Casanova, was? Wie viele Witwen hat er auf dem Gewissen? Doch bestimmt mindestens ein Dutzend, oder?“

„Ich bin nicht wegen des Mannes hier, sondern wegen der Frau“, sagte Maria etwas gelangweilt.

Das Lächeln in Pierres Gesicht wich ehrlicher Verblüffung.

„Ach? Wegen der? Also, damit habe ich nicht gerechnet“.

Er strich sich mit der Hand über die Bartstoppeln, dass es knisterte, und zückte sein Notizbuch.

„Über die haben wir nicht viel. Sieht aber alles ganz normal aus. Reiche Witwe, vielleicht etwas naiv, immerhin ist sie auf diesen Casanova reingefallen. Der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes hat jedenfalls einen ziemlichen Aufstand gemacht, als wir seinen Kahn im Hafen festgelegt haben. Der hätte lieber geheimgehalten, dass seine Luxuspassagierin im Eva-Kostüm und tot wie ein Diamant in der teuersten Suite herumlag.“

Er blätterte um.

„Womit sie vergiftet wurde, wissen wir noch nicht. Keines von den üblichen Mittelchen, das Labor ist noch dran.“

Er klappte das Notizbuch zu.

„Wenn Sie mich fragen, ist ihr Casanova über Bord gegangen, als er versucht hat, die Leiche ins Meer zu werfen. Vermutlich gestolpert oder so und schwupps …!“

Er deutete mit der Hand einen Bogen nach unten an.

Nun umspielte ein angedeutetes Lächeln Marias Mundwinkel.

„Möchten Sie einen Rat vom mir?“

Pierre richtete sich zu voller mittlerer Größe auf, zog den Bauch ein und strich sich durch das Haar.

„Aber gerne doch!“

„Behalten Sie Ihre Version des Tathergangs besser für sich.“

Enttäuscht rutschte der Bauch wieder nach vorne.

„Wenigstens solange, bis wir in der Leichenhalle waren und ich mir diese Eva angesehen habe.“


„Ja, das ist sie. Das ist Eva Marotti.“

„Sie kennen Sie?“

Pierre sah Maria mit weit aufgerissenen Augen an.

„Danke, das war’s.“

Maria bedeutete dem Gerichtsmediziner, die Leiche zurück in die Kühlkammer zu schieben, bevor sie sich Duchand zuwandte.

„Haben Sie Lust auf einen Kaffee? Dann erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte über diese Eva.“

Pierre war zu erstaunt, um erneut sein Lächeln aufzusetzen. Stattdessen führte er seine Kollegin aus der Leichenhalle in ein kleines Café am Straßenrand. Er nickte nur, als Maria zwei Espressos bestellte.

„Eva Marotti ist eine alte Bekannte bei Europol“, begann sie. „Als Baby wurde sie auf der Treppe eines Provinzkrankenhauses ausgesetzt und ist im Waisenhaus aufgewachsen. Ein sehr kluges Mädchen, den Betreuerinnen von damals zufolge. Und außergewöhnlich schön. Nicht nur den Gleichaltrigen hat sie den Kopf verdreht, sondern auch so manchem erwachsenen Mann, wenn sie sich davon einen Vorteil versprach.“

Sie hielt inne, solange der Kellner die Espressos auf dem Tisch abstellte.

„Deshalb verwunderte es auch niemanden, als sie kurz nach ihrer Volljährigkeit einen Großindustriellen kennenlernte, der ihr den Hof machte und um ihre Hand anhielt. Eva sagte sofort ja, obwohl der Mann schon an die siebzig war. Aber er hatte Geld, und für ein junges Ding, das niemals ein Gefühl von Sicherheit gekannt hat, war dies wohl der entscheidende Punkt.“

Sie nippte am Espresso und hob anerkennend die Augenbrauen.

„Vier Jahre später war ihr Mann tot. Genickbruch, als er eine lange Treppe hinabgestürzt ist.“

„Mein Gott!“, entfuhr es Pierre. „Die arme Eva.“

„Na, so arm war sie danach nicht mehr. Sie hat alles geerbt und hätte für den Rest ihres Lebens ausgesorgt.“

„Hätte? Soll das heißen, es kommt ein Aber?“

Pierre rührte seinen Espresso nicht an, während Maria einen genussvollen Schluck nahm.

„Aber das Trauma, alleine und mittellos gewesen zu sein, saß wohl zu tief“, fuhr sie fort. „Kaum war das obligatorische Trauerjahr vorüber, stand sie erneut vor dem Traualtar. Wieder mit einem reichen Mann, der ihr Großvater hätte sein können.“

„Jetzt sagen Sie aber nicht, dass …“

„Dieses Mal dauerte das ‚Glück‘ nur zwei Jahre an. Bei einer Wanderung in den Alpen stürzte er einen Steilhang hinab.“

„Nein! Das kann ich nicht glauben.“

Entrüstet stemmte Pierre sich mit beiden Händen von der Tischplatte ab. Maria zeigte sich wenig beeindruckt.

„Wie beim ersten Mal gab es keine Zeugen, doch von da an hatte die Polizei ein Auge auf Eva. Zuerst die nationalen Behörden, später, als sie sich die Ehemänner in verschiedenen Ländern suchte, dann wir von Europol. Und die Liste ihrer Dahingeschiedenen wurde immer länger. Nicht alle waren uralt, aber alle waren vermögend, und alle starben eines plötzlichen Unfalltods, weil sie irgendwo hinabgestürzt sind.“

„Also, entschuldigen Sie mal!“ Pierre beugte sich nach vorne über den Tisch. „Haben Sie eben nicht gesehen, was für ein zartes Figürlein das war? Wie viel hat die wohl gewogen? Fünfzig Kilo? Und damit soll sie reihenweise kräftige Männer in den Tod gestoßen haben? Alleine dieser Adam sah so fit aus, dass ihn garantiert nicht ein kleines Mädchen so mir-nichts-dir-nichts ins Wasser befördern könnte.“

Er ließ sich zurück auf seinen Stuhl sinken. Maria schwieg eine Minute lang, bis Pierre seine Entrüstung ausgeschnauft hatte.

„Tatsächlich konnten wir ihr nie etwas nachweisen. Ich hatte ja zu Anfang gesagt, Eva war schlau.“

Sie leerte ihre Espressotasse.

„Aber Eva war noch etwas: Wie viele andere Kinder in diesem Waisenhaus hat sie früh mit Judo angefangen, doch anders als die meisten ist sie viele Jahre dabei geblieben und war sogar im nationalen Leistungskader. Glauben Sie mir, es war ein leichtes für Eva, jeden ihrer teuren Gatten bei einer günstigen Gelegenheit wohin auch immer zu schleudern.“

Pierre antwortete nichts. Eine Weile starrte er vor sich her. Schließlich räusperte er sich.

„Sie meinen also, dass … Sie denken, sie …“

„Ich vermute,“ unterbrach ihn Maria, „dass mit Adam und Eva zwei mörderische Heiratsschwindler aufeinandergestoßen sind. In der Hochzeitsnacht hat er ihr irgendein Gift in den Champagner geschüttet, doch bevor sie davon das Bewusstsein verlor, hat sie ihn über Bord geworfen.“

Sie klemmte einen Geldschein unter ihre leere Tasse und erhob sich. „Die Beweise für oder gegen meine Hypothese zu sammeln, ist nicht Aufgabe von Europol. Damit dürfen Sie sich jetzt herumschlagen.“

Pierre blieb sitzen. Maria wandte sich zum Gehen. Als sie ein paar Schritte gemacht hatte, rappelte sich Duchand auf und rief ihr nach. „Woher wissen Sie das alles eigentlich so genau?“

Maria blieb stehen, drehte sich aber nicht zu ihm. Sie atmete tief durch, bevor sie die Antwort gab.

„Weil ich mit Eva zusammen in dem Waisenhaus aufgewachsen bin.“

Und sie ging weiter, ohne sich noch einmal umzusehen.